Evangelisches Bildungswerk Rosenheim–Ebersberg e.V.

Den Menschen stärken – die Sache klären

Die liebe Sommerzeit...

Pfr. Dr. Bernd Rother

Dr. Bernd Rother, Pfarrer der Kirchengemeinde Rosenheim und theologischer Referent im ebw

„Geh aus, mein Herz, und suche Freud“, dichtete Paul Gerhardt bereits 1653 – und hatte dabei „die liebe Sommerzeit“ im Sinn.
Das bekannte Lied ist eine einzige Erinnerung an all das Gute, das unser Leben umgibt. 15 Strophen lang quirlen Bäche, tirilieren Vögel, beschatten Bäume die Erde, gibt es frisches Grün ohne Maß. Romantisch verklärt, möchte man meinen, wie auch die Natur auf vielen Gemälden seiner Zeit geradezu anheimelnd überzeichnet wird.
Liest man alle Strophen bis zum Ende, dann spürt man allerdings schnell, dass Paul Gerhardt nicht bei einem großen Lob der Natur stehen bleibt, so sehr es in den geläufigen ersten Strophen anklingt.
Nicht allein also eine Erinnerung an all das Gute, das unser Leben umgibt. Vielmehr auch eine Einladung: das eigene Leben im vielstimmigen Konzert der Welt zu sehen, und dabei zu entdecken, was die ganz eigene Lebensmelodie ist. Ich spüre, dass das Leben ein Geschenk ist. Paul Gerhardt lädt dazu ein, über das Hier und Jetzt hinauszublicken.
Denn manchmal macht das Lebens-Geschenk nicht nur Spaß. Paul Gerhardt fand sich vielfach auf der Schattenseite des Lebens wieder. Da war es ihm wichtig, sich selber zu ermahnen: „geh aus, mein Herz und suche Freud!“
In Strophe 14 betet er zu Gott: „Mach in mir deinem Geiste Raum, dass ich dir wird ein guter Baum, und lass mich Wurzel treiben. Verleihe, dass zu Deinem Ruhm, ich Deines Geistes schöne Blum und Pflanze möge bleiben.“

13) Hilf mir und segne meinen Geist
mit Segen, der vom Himmel fleußt, daß ich dir stetig blühe;
gib, daß der Sommer deiner Gnad
in meiner Seele früh und spat
viel Glaubensfrüchte ziehe.

14) Mach in mir deinem Geiste Raum,
daß ich dir werd ein guter Baum,
und laß mich Wurzel treiben.
Verleihe, daß zu deinem Ruhm
ich deines Gartens schöne Blum
und Pflanze möge bleiben.

Entdecken wir also nach reichlich Sommer in diesem Jahr die schönen Seiten des Herbstes – und ruhig auch die Schattenseiten des Lebens.